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Das Schottische Hochlandrind
Rassebeschreibung mit erläuternden Anmerkungen

Dr. Stephan Janz


Vorbemerkung

Die Rassebeschreibung eines beliebigen Nutztieres lässt sich nicht stimmig ohne Hinweise auf die Haltungsformen, welche die als rassetypisch erachtete Ausprägung bestimmter Merkmale hervorbringen, durchführen. Insofern, als die Haltungsweise eines Nutztieres unmittelbar von dem jeweils angestrebten Nutzungsziel bestimmt ist, liegt deshalb einer Rassebeschreibung stets auch mehr oder weniger ausgesprochen ein bestimmtes Nutzungsziel zugrunde.

Beim Versuch einer Rassebeschreibung des Schottischen Hochlandrindes ergibt sich hier die Schwierigkeit, dass diese Rinderrasse gewissermaßen ein unverändert erhaltenes historisches Monument aus der Zeit des Beginns einer planmäßigen Rinderzucht in Großbritannien in der Mitte des 18. Jahrhunderts darstellt. Das damalige Nutzziel war klar: das Highland Cattle (HC) war das Nutztier, das am besten geeignet war, seinen Besitzer mit Milch, Fleisch, Leder und regelmäßiger Nachzucht zu versorgen unter den klimatischen Bedingungen des schottischen Hochlandes mit stürmischen, verregneten Sommern und langen, nasskalten Wintern, auf steinigen, hügeligen Weiden, ohne Stall und ohne wesentliche Zufütterung im Winter. Dieser aus der Not geborene Nutzungsanspruch besteht in dieser Form nicht mehr, weder bei uns noch in Schottland. Insofern ist das HC ein lebender Anachronismus, hat die moderne Landwirtschaft doch Haltungsformen, die einen weit höheren Nutzen durch spezialisierte Hochleistungsrinder zulassen, hervorgebracht. In dem Maße allerdings, wie in den letzten Jahren die ökologischen Folgeerscheinungen der Intensivierung der Landwirtschaft eine volkswirtschaftlich bedeutsame Dimension erlangt haben, mit der Konsequenz der Stillegung unrentabler oder schutzbedürftiger Flächen einerseits und "Bauernsterben" und Entwicklung von Nebenerwerbslandwirtschaft andererseits, ist ein wachsendes Interesse an extensiven Formen der Rinderhaltung zu beobachten. Im Zuge dieser Hinwendung zur Mutterkuhhaltung richtet sich das Interesse auf Rasseeigenschaften, auf die man längst verzichten zu können glaubte, die mit manchen einheimischen Rinderrassen ausgestorben sind oder bei den übriggebliebenen spezialisiert hochgezüchteten Rinderrassen stark in den Hintergrund getreten sind und in hohem Maße heute nur bei den sogenannten Robustrinderrassen vorhanden sind: Resistenz gegen widrige klimatische Verhältnisse, problemloses Abkalben ohne Hilfe, Leichtfuttrigkeit und sichere Vererbung dieser Eigenschaften. Gefragt ist eine Rinderrasse, die bei möglichst ganzjähriger Weideführung auch auf Grenzertragsflächen ohne intensiven Arbeitseinsatz und bei minimalem Einsatz von betriebsfremden Futtermitteln ein qualitativ hochstehendes Fleischprodukt erbringt. Soweit das Highland Cattle dieses Anforderungsprofil exakt erfüllt, handelt es sich um eine "moderne" Rinderrasse mit einem klar zu umreißenden Nutzungsziel.

Äußere Erscheinung

Das Schottische Hochlandrind ist ein klein- bis mittelrahmiges Fleischrind.

Die Frage des Rahmens ist unter Haltern und Züchtern von Highland Cattle zumindest in der Bundesrepublik häufig ein strittiger Punkt. Das Hochlandrind, wie es vor zweihundert Jahren gehalten wurde, war zweifellos ein kleinrahmiges Mehrnutzungsrind. Seit jeher wurden jedoch in Schottland zwei Schläge von Highland Cattle unterschieden: das etwas kleinere, auch als Kyloe bezeichnete Rind der schottischen Westküste und der vorgelagerten Inseln und das etwas größere Tier des zentralen schottischen Hochlandes. Die frühen Beschreibungen verweisen in diesem Zusammenhang stets auf die unterschiedlichen Weide- und Klimabedingungen dieser Regionen und auch heute noch machen schottische Züchter die Beobachtung, dass eine auf den Hebriden gezogene kleinrahmige Kuh unter den günstigeren Bedingungen Zentralschottlands deutlich größerrahmige Nachzucht hat und umgekehrt. Das genetisch vorhandene Wachstumspotential, das die Tiere unter den in der Bundesrepublik Deutschland weithin üblichen Aufzuchtbedingungen ausschöpfen können, erlaubt ohne weiteres eine Einstufung als ein knapp mittelrahmiges Rind. Voraussetzung ist, dass das weibliche Tier nicht durch eine zu frühe Belegung in der Entwicklung gehemmt wird. Kleinrahmigkeit mag unter bestimmten Boden-, Klima- und Aufzuchtverhältnissen erwünscht sein, es besteht jedoch kein Anlass, sie zum zwingenden Rassemerkmal zu erklären.

Die auffälligsten typbestimmenden Merkmale sind der kräftige Kopf, eindrucksvolle, weitausladende Hörner und ein langes zottiges Haarkleid. Der Kopf ist breit zwischen den Augen und kurz zwischen den Augen und den Nüstern. Er bildet von vorne gesehen annähernd ein gleichseitiges Dreieck. 

Auch in der Seitansicht ist der Kopf kräftig und kurz. Der Haarschopf zwischen den Augen soll breit und buschig sein und fällt meist über die Augen. Aufwärtsgerichtete Wirbel und bei älteren Bullen mehr krauses Wachstum sind keine Fehler.

Gelegentlich weisen Kälber eine anlagebedingte Fehlausbildung der Ohren auf, welche ausgefranst oder schartig eingerissen aussehen. Bullen, die diesen Fehler aufweisen, sind in Schottland nicht zur Herdbuchzucht zugelassen.

Die Hörner entspringen beidseits waagerecht aus dem Hornansatz. Beim Bullen verlaufen die Hörner nach kurzem geradem Verlauf in einer Ebene nach vorne gebogen.

Eine leichte Anhebung der Hornspitzen ist korrekt. Nach oben und außen geschwungene Hornformen, die tendenziell mehr dem weiblichen Typus entsprechen, kommen gelegentlich auch bei sonst korrekten Bullen vor und sind lediglich ästhetisch zu bewerten. Jede Abwärtsneigung des Hornes zwischen dem Hornansatz und dem Beginn der Biegung wird als schwerer Fehler, der mit einem weichen Rücken einhergeht, angesehen. 

Die Hornform früh kastrierter männlicher Tiere entwickelt sich meist deutlich in Richtung der weiblichen Hornform. 

Bei der Kuh verlaufen die Hörner nach dem waagerechten, meist rechtwinkligen Ansatz in unterschiedlicher Ausprägung symmetrisch nach vorne, oben und außen geschwungen.

Die Hörner sind bei Kühen etwas länger als bei Bullen, unterschiedliche Hornformen haben keine qualitätsbestimmende Bedeutung. Auch die Hornsymmetrie sollte nicht überbewertet werden, nicht selten sieht man in sorgfältig geführten Herden Kühe mit asymmetrischer Hornentwicklung, die ihrem Besitzer Jahr für Jahr gute Kälber bringen. 

Das Horn soll glatt sein, hat meist einen hellen bis rötlichen Schimmer und eine dunkle Spitze. Schwarze Tiere haben dunkle Hörner. Das Horn soll insbesondere bei Bullen eher stark als zierlich sein und sich zur Spitze hin nur langsam verjüngen.

Raue, rissige Hörner kommen bei Aufzuchtfehlern vor, können aber auch durch Scheuern des Tieres zustande kommen.

Die Halslinie verläuft bei der Kuh gerade, beim Bullen weist sie die typische maskuline Wölbung auf.

Eine stark ausgeprägte Wamme wird als nicht rassetypisch angesehen.

Die Schulter ist kräftig und gut bemuskelt und soll ohne jede Einschnürung in einen voll entwickelten geraden Rücken und einen gut gerundeten tiefen Brustkorb übergehen. Der Rumpf ist im Verhältnis zur Körperhöhe langgestreckt, die Bauchlinie verläuft parallel zum Rücken. Das Becken soll breit und langgestreckt sein, mit einem weiten Abstand zwischen den Hüfthöckern und zwischen den Hüft- und Sitzbeinhöckern. Die Hinterviertel sind ebenfalls kräftig bemuskelt. 

Die Bemuskelung des Hochlandrindes ist aufgrund des langen Haarkleides, das bei geschickter Präsentation Fülle vortäuschen kann, wo sie nicht vorhanden ist und Fehler kaschieren kann, sicherlich schwieriger zu beurteilen, als bei kurzhaarigen Rinderrassen. Auch die Abgrenzung von Muskelfülle gegenüber Ansätzen von Verfettung bedarf neben entsprechenden "Metzgergriffen" einer besonderen Erfahrung. Besonderer Wert ist auf die Ausgewogenheit der Entwicklung von Vor- und Hinterhand zu legen. Die wulstige Muskelfülle mancher anderer Fleischrinderrassen ist nicht rassetypisch.

Besonderer Wert wird auf eine korrekte Stellung der Beine und Klauen gelegt. Das Tier ist niedrig gestellt, die Vorderbeine sind weit auseinander stehend, so dass das Tier mit dem breiten Brustkorb von vorne gesehen einen ausgesprochen stämmigen Eindruck macht. Die Hufe sind groß, die Klauen sollen kurz und hart sein. Das Fell besteht aus einem etwas kürzeren, dichten Unterhaar und einem langen, fülligen Deckhaar, das glatt oder leicht gewellt ist und üppig bis hinunter zu den Fesseln reicht.

Der natürliche Haarwechsel ist bei der ganzjährigen Haltung im Freien ausgeprägt, so dass die Tiere im Sommer relativ kurzhaarig erscheinen können. Ältere Tiere haben häufig ebenfalls ein kürzeres Deckhaar. Das Kopfhaar mit dem Stirnschopf und der langen Ohrlocke ist vom Haarwechsel nicht betroffen. Die Schwanzquaste, die nicht selten bis zum Boden reicht, bleibt ebenfalls lang und buschig. 

Die Farben sind schwarz, dunkel- und hellrotbraun, dunkel- und hellrotbraun mit unregelmäßiger schwarzer Stromung, gelb, licht-grau und weiß.

Rasseeigenschaften

Das herausragende Charakteristikum des Hochlandrindes ist seine Robustheit und außerordentliche Widerstandsfähigkeit gegen Kälte und Nässe. Highland Cattle sind leichtfuttrig und stellen geringe Ansprüche an die Qualität der Weide. Die Kühe sind leichtkalbig, geburtshilfliche Maßnahmen sind nur äußerst selten erforderlich. Das Geburtsgewicht liegt bei Kuhkälbern im Mittel bei 25 kg, bei Bullkälbern bei 28 kg. Kälberverluste sind aufgrund des leichten Geburtsverlaufs, der hervorragenden Mutterinstinkte der Kuh und der Vitalität der Kälber zu allen Jahreszeiten eine Seltenheit. Bullen sind ruhige, fügsame Tiere, die sich - entsprechend angelernt - leicht handhaben lassen.

Highland Cattle gelten als spätreif. Färsen sollen nicht unter 24 Monaten oder einem Mindestgewicht von 375 kg erstmals belegt werden. Bullen sind etwa mit fünf Jahren ausgewachsen. Kühe erreichen ein Gewicht von 400 - 500 kg, Bullen erreichen Gewichte um 800 kg. Bei Weidehaltung liegt die tägliche Gewichtszunahme bei Bullen bei 600 - 700 Gramm, das ideale Schlachtalter liegt bei 24 - 27 Monaten. Kühe erreichen ein Alter bis zu 20 Jahren, 12 Kalbungen und mehr pro Kuh sind keine Seltenheit.

Die genannten Entwicklungsdaten sind Durchschnittsdaten bei ganzjähriger extensiver Weidehaltung. Geburtsgewichte, Tagesgewichtzunahmen und Endgewichte lassen sich ohne weiteres bei entsprechender Fütterung steigern, ebenso lässt sich das Erstkalbungsalter und das Schlachtalter entsprechend senken. Der Haupteinwand gegen intensive Mastverfahren ist, dass bei Kühen die Leichtkalbigkeit darunter leidet und der Schlachtkörper zur Verfettung neigt. Bei maßvoller Zufütterung zum Weidegang lassen sich ohne Einbußen der Fleischqualität bei guten Tieren jedoch Tagesgewichtzunahmen um 800 g bis über 900 g erzielen.

Highland Cattle werden, was die Unempfindlichkeit gegen Kälte angeht, wie Untersuchungen in Kanada ergeben haben, nur vom Bison und Yak übertroffen. Eine züchterische Selektion auf dieses Merkmal sowie die anderen Merkmale, die in ihrer Gesamtheit die Robustheit dieser Rinderrasse ausmachen, war unter den ursprünglichen Haltungsbedingungen kaum notwendig. Die Haltungsbedingungen selbst waren der Selektionsmechanismus: nur die härtesten Tiere waren in der Lage, unter den armseligsten Bedingungen nicht nur durch den Winter zu kommen, sondern sich darüber hinaus erfolgreich fortzupflanzen und lange Märsche zu den regionalen Märkten ohne gravierende Verluste zu überstehen. Die Tiere mussten dazu exzellente Futterverwerter sein, resistent gegen Kälte, Nässe, Wind, Ungeziefer und Krankheiten sein, Leichtkalbigkeit mit zuverlässig guten Muttereigenschaften verbinden und in der Lage sein, lange Strecken in unwegsamem Gelände ohne Probleme zurückzulegen. In der Kombination dieser Eigenschaften ist das Schottische Hochlandrind den meisten anderen Rinderrassen weit überlegen.

Nachdem unter heutigen - und hiesigen - Haltungsbedingungen mit Winterfütterung, Mineralfuttergabe, gezielter Kälberaufzucht, Parasitenbekämpfung, Geburtsüberwachung und ggf. -hilfe u. ä. m. der oben genannte Selektionsmechanismus weitgehend außer Kraft gesetzt ist, ist die vorrangige Aufgabe der Herdbuchzucht, durch züchterische Anstrengungen dafür zu sorgen, dass diese Eigenschaften erhalten und gefördert werden. Die Härte und Robustheit des Hochlandrindes sind die hervorragendsten Rassemerkmale, sie müssen als das vorrangige und anspruchsvollste Zuchtziel angesehen werden. Anspruchsvoll insofern, als die Eigenschaften, die zur Robustheit beitragen nicht exterieurmäßig offensichtlich sind. 

Es gibt keine gesicherten Kenntnisse darüber, ob bestimmte äußere Merkmale mit einiger Sicherheit auf bestimmte Eigenschaften schließen lassen. In der Tierbeurteilung kommt daher möglicherweise einigen Details, die von schottischen Züchtern traditionell hoch bewertet werden, eine größere Bedeutung zu, auch wenn diese Details eher schwärmerisch, als handfest anmuten. So legen erfahrene Züchter großen Wert auf einen "guten Kopf" und ein breites Flotzmaul. Der Kopf soll aufmerksam hoch getragen werden, das Auge soll lebhaft sein. Es wird weiterhin großen Wert auf die Art und Weise, wie das Tier sich bewegt gelegt. Die Fortbewegung des Tieres in ruhigen, gemessenen Schritten unterscheidet sich in eigentümlicher, schwer zu beschreibender Weise von der anderer Rinderrassen. Jedes Nachziehen oder Schleifenlassen einer Extremität wird als entschiedener Fehler gewertet. In diesem Zusammenhang wird die große Bedeutung der Korrektheit des gesamten Fundaments verständlich. Solange keine diesbezüglich präziseren Erkenntnisse vorliegen, erscheint es angebracht, in diesen Bewertungen das Gewicht von zweihundert Jahren züchterischer Erfahrung zu respektieren


Erstveröffentlichung; Highland Cattle, 1/1990, S. 19ff



Anmerkung: 

Im Januar 1990 wurde der "Highland Cattle Zuchtverband Niedersachsen e.V." (NHC) von engagierten Züchtern gegründet, die u.a. kritisierten, dass es zu dieser Zeit immer noch "trotz mehr als 1000 registrierter Herdbuch-Mutterkühe in der Bundesrepublik ... Bislang an fachlicher Information, an brauchbaren Rassebeschreibungen, an Zuchtwertrichtlinien ..." (Highland Cattle, 1/1990, S.7) fehlte. Die vorstehende Rassebeschreibung war ein erster Versuch, diesem Mangel abzuhelfen. Einzelne Passage dieser Beschreibung habe ich dem ersten Herdbuch der Highland Cattle Society wörtlich entnommen, andere sinngemäß und gestrafft. Die reine Beschreibung ist von den erläuternden Anmerkungen durch kursive Schrift abgesetzt.

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