|
PUBLIKATIONEN |
Crop Ear – ein höchst variabler Ohrdefekt
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Das Salz in der Suppe jedes Vereinslebens sind die Fraktionskämpfe und eine Mitgliederversammlung macht erst Spaß, wenn so richtig die Fetzen fliegen. So gesehen war die letzte VDHC - Mitgliederversammlung in Alsfeld ein Flop: alles freundlich, sachlich, informativ und sogar in der Zeit. Aber nicht verzagen! Wie aus ungewöhnlich gut informierten Kreisen verlautet, birgt die Ankündigung des Vorsitzenden, man werde „zu gegebener Zeit in den Gremien in aller Ruhe“ das Thema „Crop Ear“ abhandeln, Sprengstoff und Grabenkämpfe. Wir verdanken diese Bereicherung unseres Vereinslebens dem sog. Crop-Ear-Zyklus, einem Phänomen, das ebenso, wie der Schweine-Zyklus, sowohl real, wie auch schwer erklärbar ist.
Was ist Crop Ear ?
Crop Ear ( Synonyma: Stummel-Ohr, Stutz-Ohr, Krupp-Ohr, Knüppel-Ohr, Blumenkohl-Ohr, notched ears, nicked ears, dock ears ) ist ein autosomal monogen mit variabler Expression dominant vererbter Defekt des
äußeren Ohres, der vorwiegend bei Rindern der Rasse Highland beobachtet wird und nicht mit anderen Defekten oder Funktionsstörungen vergesellschaftet ist. Diese Definition gibt den aktuellen relevanten Kenntnisstand zu Crop Ear wieder und ich will sie erläutern.
Crop Ear ist ein vererbter Defekt des äußeren Ohres. Dieser Defekt wird autosomal vererbt, d.h. er wird nicht auf einem der Geschlechtschromosomen vererbt und kann somit beide Geschlechter betreffen. Er wird monogen vererbt, d.h. es ist nur ein einziges Gen verantwortlich. Er wird dominant vererbt, d.h. auch ein heterozygoter Merkmalsträger, also ein Tier, das das Crop-Ear-Gen nur von einem Elternteil mitbekommen hat, zeigt den Ohrdefekt. Die phänotypische Expression ist variabel, d.h. bei gleicher genetischer Ausstattung kann die äußerlich feststellbare Ausprägung des Ohrdefekts von Tier zu Tier sehr unterschiedlich sein (dies ist der kniffelige Knackpunkt der ganzen Geschichte, auf den ich zurückkommen werde). Der Defekt zeigt sich an beiden Ohren meistens annähernd symmetrisch. Der Defekt wird bei Highland und Ayrshire Cattle (und Kreuzungstieren) sowie gelegentlich bei Dexter Cattle beobachtet.
Dieser letzte Punkt ist interessant aus einem Grund, der gar nichts mit Crop Ear zu tun hat: in der wissenschaftlichen Literatur wurden „notched ears“ erstmals 1915 von einem japanischen Autor (Yamane) beschrieben, der diesen Defekt an Ayrshire Cattle fand, die von Californien nach Japan exportiert worden waren und die sich auf einen Ayrshire - Bullen zurückverfolgen ließen, der seinerseits bereits 1859 aus Schottland in die USA exportiert worden war. Dieser Bulle wurde beschrieben „als dunkel-braun und weiß und mit eingekerbten Ohren. Später wurden auch in den USA und in Neuseeland (MacDonald) Ayrshire Cattle und Kreuzungen mit Crop Ear beschrieben, die in Form, variabler Ausprägung und Erbgang exakt denen entsprechen, die bei Highland Cattle wissenschaftlich erst sehr viel später untersucht wurden (Scheider et al.). Ayrshire Cattle sind heute eine weltweit verbreitete milchbetonte Zweinutzungsrasse, die ursprünglich aus der Grafschaft Ayrshire westlich/südwestlich von Glasgow stammt. Youatt lässt 1831 anklingen, dass die in Ayrshire vorkommenden Rinder mit den West Highland Cattle verwandt sind und das historisch früh verbürgte Auftreten von Crop Ear bei den Ayrshires ist tatsächlich ein starkes Indiz dafür, dass die eine Wurzel dieser Rasse bei den West Highland Cattle liegt (s. auch Wilson). In der einschlägigen Literatur zu erblichen Ohrmißbildungen beim Hausrind gibt es sonst nur sehr spärliche Mitteilungen (Wriedt, Lush) und die hier beschriebenen Einzelfälle unterscheiden sich möglicherweise deutlich vom Crop Ear. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand scheint es somit, dass Crop Ear ein genetischer Defekt ist, der bei Highland Cattle und den alt-verwandten Ayrshire Cattle (und bei Kreuzungstieren) auftritt und außerdem gelegentlich bei Dexter Cattle beobachtet wird, einer Rasse, die auf die alte irische Rasse der Kerry Cattle zurückgeht. Die Tatsache, dass Crop Ears in anderen eurasischen Hausrinderrassen nicht vorkommt, spricht dafür, dass es sich um eine alte genetische Mutation handelt, die sich weit unten im gemeinsamen Stammbaum der üblicherweise als keltische Rinder bezeichneten Rinder der Inseln im Nordatlantik ereignet haben muss. (Ich gebe zu, dass dies eine ganz persönliche Annahme ist, die im Einklang steht mit der keltischen Mythologie – s.u. -, für die ich mich aber auf keine wissenschaftlichen Zeugen berufen kann.)
Was die funktionelle Bedeutung dieses Defekts angeht, so gibt es weder in der wissenschaftlichen, noch in der einschlägigen Highland-Literatur Mitteilungen über Beobachtungen, dass die heterozygote Variante irgendwelche Beeinträchtigungen oder Leistungseinbußen zur Folge hätten. Diese Tiere sind vollständig gesund. Bei der homozygoten Variante wird darüber spekuliert, ob die Tiere, die normal hören können, möglicherweise in der Lokalisation einer Geräuschquelle beeinträchtigt sind. Ebenso mag man darüber spekulieren, ob in einem solchermaßen grob deformierten Ohr Wasser oder Fliegen leichter Schaden anrichten können. Bekannt und beschrieben ist dies nicht.
Wie sehen Crop Ears aus, wie fühlen sie sich an?Crop Ears können sehr unterschiedlich aussehen. Der Defekt tritt beidseits auf, aber wahrscheinlich nicht immer absolut symmetrisch. Crop Ears sind bereits beim neugeborenen Kalb vorhanden und verändern sich vermutlich nicht im Laufe des Lebens. Die Ohrmissbildung reicht von einer winzigen Einkerbung an den Ohrspitzen über deutliche V-förmige Kerben bis zu tiefen rissartigen Scharten, die die Ohrmuscheln regelrecht zweiteilen und einer abgeheilten Verletzung, beispielsweise nach Ausreißen einer Ohrmarke, ähneln (aber eben beidseits in ähnlicher Form !). Im schwersten Fall sind die schartigen Ohrknorpel stummelig verkürzt oder verknäult. Im leichtesten Fall dagegen mag die Einziehung an der Ohrspitze so minimal sein, dass nur eine knorpelig verdickte kleine Delle zu tasten ist.
In den meisten Fällen von Crop Ear, bei den Tieren nämlich, bei denen die Ohren lediglich eine 1-2 cm tiefe Kerbe haben, ist der Defekt unter der üppigen Behaarung der Ohren verborgen und mithin auf normale Distanz nicht sicher auffällig/sichtbar. Nur bei tiefen Scharten und stärkeren Verstummelungen fällt einem beim Ansehen des Tieres sofort auf, dass mit den Ohren etwas nicht stimmt (s. Abb., auch bei Cochrane). In vielen Fällen kann man deshalb Crop Ears nur durch Abtasten (beider!) Ohren feststellen. Kleine Ohrkerben können einem auch beim Einziehen der Ohrmarken beim Kalb leicht entgehen, wenn man nicht ganz bewusst darauf achtet und danach tastet. Wenn man das allerdings gezielt tut, dann sind Crop Ears in den meisten Fällen von jedem Züchter auch ohne besonderes Expertentum gut zu erkennen.
Dass Crop Ears so unterschiedlich aussehen/sich anfühlen können hängt zum einen damit zusammen, dass ein Tier die Crop-Ear-Gen-Variante (nennen wir sie „C“) von beiden Eltern geerbt haben kann. Dieses Tier wird dann als reinerbig (homozygot) für dieses genetische Merkmal bezeichnet, d.h. es hat in seinem vollständigen Gen-Satz zwei mal die Crop-Ear-Gen-Variante (CC). Diese homozygoten Tiere weisen das äußere Merkmal „Crop Ear“ in schwereren Graden auf, also tiefe Kerben/verkrüppelte Ohren, und diese Tiere geben an ihre Nachzucht zwangsläufig immer ein Crop-Ear-Gen weiter. Tiere, die die Crop-Ear-Gen-Variante (C) nur von einem Elternteil geerbt haben, von dem anderen Elternteil aber nur die (normale) Nicht-Crop-Ear-Gen-Variante (c), bezeichnet man als mischerbig (heterozygot) für das Merkmal Crop Ear. Diese Tiere haben in ihrem vollständigen Gen-Satz (Cc) beide unterschiedlichen Genvarianten und können an ihre Nachzucht entweder die eine (C) oder die andere (c) Variante vererben. Diese heterozygoten Tiere weisen das äußere Merkmal „Crop Ear“ in leichteren Graden auf, also die beschriebenen Kerben, die man nicht so leicht sehen kann, sondern meistens tasten muss. Der Vollständigkeit halber: normale Tiere sind homozygot für die normale Nicht-Crop-Ear-Gen-Variante (cc). Bei der Anpaarung an homozygote Crop-Ear-Merkmalsträger (CC) resultiert bei der Nachzucht immer die heterozygote Situation (Cc oder cC) und damit – s.o. – Crop Ears in leichterer Ausprägung. Bei der Anpaarung normaler (cc) an heterozygote (Cc oder cC) Merkmalsträger kann bei der Nachzucht die homozygote Situation (cc) entstehen, das sind genetisch (!) und äußerlich merkmalsfreie Tiere, oder es entsteht die heterozygote Situation (Cc oder cC).
So weit, so einfach und das bis hierher Dargestellte entspricht Mendel´scher Vererbungslehre und dem bisherigen Kenntnisstand.
Dass Crop Ears unterschiedlich aussehen/sich anfühlen hängt aber noch mit einer zweiten Eigentümlichkeit der Vererbung dieses Merkmals zusammen und das leitet über zu dem oben erwähnten „kniffeligen Knackpunkt“ und zu dem Punkt:
Was gibt es Neues über Crop Ear ?Neu ist, dass sich eine Schweizer Arbeitsgruppe mit dem Thema befasst hat, um das Crop-Ear-Gen DNA-analytisch zu identifizieren und diese Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse im Oktober 2013 publiziert (Koch et al). Das Gen wurde gefunden und kann nun mit einem Test bei einzelnen Tieren nachgewiesen werden. Die Arbeit hat außerdem den bereits aus Stammbaumanalysen (MacDonald, Scheider et al.) erschlossenen autosomal dominanten Erbgang bestätigt, allerdings mit einer kleinen, aber nicht unwesentlichen Korrektur, was den kniffeligen Punkt der variablen Merkmalsausprägung angeht: Nach bisheriger Vorstellung sollten Crop Ears einen „unvollständig dominanten“ Erbgang haben (anders ausgedrückt: einen dominanten Erbgang mit unvollständiger Penetranz), was bedeutet, dass bei manchen heterozygoten Individuen das Merkmal phänotypisch gar nicht zum Ausdruck kommt. Demgegenüber spricht die Schweizer Arbeitsgruppe jetzt von einer „variablen Expression“ des dominant vererbten Merkmals und das bedeutet, dass jeder genetische Merkmalsträger, ob homozygot oder heterozygot, das Merkmal auch phänotypisch aufweist, allerdings, wie oben beschrieben, in variabler Ausprägung . Es gibt also vermutlich unterschiedliche Grob-Varianten bei homozygoten Tieren und unterschiedliche Fein-Varianten bei heterozygoten Tieren. Nicht untersucht und nicht bekannt ist aber
„Unvollständige Penetranz“ bzw. „variable Expression“, das mag sich nach wissenschaftlicher Ohrspalterei und genetischem Fachchinesisch anhören. Tatsächlich aber bedeutet es: Ein genetischer Merkmalsträger zeigt das Merkmal am Ohr. Und: Ein Tier, das am Ohr nichts hat, ist auch kein genetischer Merkmalsträger.
Diese Feststellung wird auf Widerspruch treffen. Immer wieder hört man von Crop-Ear-Tieren, die von angeblich merkmalsfreien Eltern stammen. Ob solche Fälle tatsächlich zweifelsfrei seriös dokumentiert sind, ist mir nicht bekannt. Prof. Drögemüller, der Leiter der o.g. Schweizer Arbeitsgruppe bestätigt: „Tiere mit einer Kopie der Mutation, Genotyp CE-1, haben (wenn auch stark variabel und z.T. sehr sehr schwer erkennbar) immer Veränderungen an den Ohrmuscheln“ (pers. Mitteilung). Matti Mäkelä, ein finnischer Highland-Cattle-Enthusiast, der aus persönlichem Interesse (um nicht zu sagen: Obsession – er wird mir das nicht übel nehmen) vermutlich mehr Highland-Tieren an die Ohren gefasst hat, als irgend ein anderer Mensch, bestätigt ebenfalls „ dass es Fälle gibt, in denen der Defekt so minimal war, dass ich Schwierigkeiten hatte, den Defekt überhaupt zu identifizieren. Ich glaube, dass es tatsächlich möglich ist, beim Abtasten der Ohren zu einer falschen Entscheidung zu kommen“ (pers. Mitteilung).
Im konkreten Einzelfall kann die Entscheidung zwischen einer minimalen Minimalvariante und einem normalen Ohr also tatsächlich sehr schwierig sein. Dieser schwierige Einzelfall ist vermutlich eher selten und für
unklare oder strittige Fälle lässt sich die Frage ab sofort mit einem Gentest sicher und eindeutig klären. (Dieser Test kann an der Universität Bern aus Blut, Haaren, Sperma oder Gewebeproben gemacht werden, er
kostet 75,00 Euro und dauert 2-8 Wochen. Antragsformulare mit weiteren Details unter
http://www.genetics.unibe.ch/unibe/vetmed/genetic/content/e2885/e3144/e290715/files290716/AntragKruppohren_ger.pdf
)
Crop Ears, gälische Folklore und die Highland-ZüchterDie keltische Mythologie – und nicht nur diese – kennt ein weit verbreitetes Fabelwesen, den Wasser-Bullen (Maier). In der gälischen Folklore mit ihren mündlich tradierten und undatierten Legenden wird der Wasser-Bulle als Tarbh-Uisge bezeichnet (auf der Isle of Man als Tarroo-Ushtey) und sein angestammtes Revier ist das Meer um die hebridischen Inseln und die Lochs der westlichen Highlands. Der Wasser-Bulle entsteigt nachts dem Wasser und deckt an Land Kühe. Der Bulle selbst wird nur selten gesehen, auffällig ist meist seine Nachzucht. Es gibt den Wasser-Bullen-Mythos auch in Deutschland, aber der hebridische Wasser-Bulle hat etwas Besonderes: Tarbh-Uisge ist ein großer schwarzer Bulle mit samtigem Fell, er hat keine Ohren und seine Kälber haben geschlitzte Ohren. Martin Martin, ein schottischer Forschungsreisender, hat diese Legende auf seiner Reise zu der Hebriden 1695 auf der Insel Skye gehört und erstmals dokumentiert. Er schreibt: „Es gibt hier einige Kälber, die haben einen Schlitz an der Spitze ihrer Ohren und diese stammen, so stellen sich die Einheimischen vor, von einem wilden Bullen, der aus dem Meer oder einem See steigt; und dieses Kalb nennen sie corky-fyre“ (Martin). In einer umfangreichen Sammlung von Erzählungen aus den West Highlands von 1862 berichtet ein Inselbewohner, dass er „oft Bullen am Ufer des Sees mit Kühen auf der Weide gesehen hat und die Kühe hatten oft Kälber. Diese sind `corcach´, kurzohrig, eine Kreuzung zwischen Wasser-Bullen und Land-Kühen“(Campbell) und A. Carmichael, der in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gälische Lieder, Reime und Legenden gesammelt hat, schreibt: „Diese Rinder mit eingekerbten Ohren - `Torc Chluasach´ - sind auf den Westlichen Inseln (den Hebriden, S.J.) häufig anzutreffen und man spricht von ihnen als `Sliocd a Chroid Mhara´, Nachkommen der fabel-haften Meeres-Rinder.“ Ein frommer Mann, der Reverend Alexander Stewart, distanziert sich in seinem Buch „Twixt Ben Nevis and Glencoe“ 1885 von solchen „lächerlich kindischen und zugleich absurd unmöglichen“ Dingen wie Wasserbullen und Nachkommenschaft mit missgebildeten Ohren und mockiert sich darüber, dass „Eingeweihte immer noch vorgeben, in fast jedem Zug reinrassiger Highland Kühe und Färsen (gemeint sind die großen Viehtriebe, in denen Rinder aus den Highlands auf die Märkte im Süden getrieben wurden. S.J.), den man ihnen vorstellt, auf einzelne Rinder hinweisen zu können, die mehr oder weniger von diesem fragwürdigen Blut in sich tragen“.
Unschwer erkennen wir in diesen Fabelwesen unsere Crop-Ear-Tiere wieder: Tarbh-Uisge, der Bulle ohne Ohren, offenbar ein homocygotes Tier; corky- fyre, die heterozygote Nachzucht mit den gespaltenen Ohrspitzen. Deformierte Ohren bei ihrem Rindvieh waren den Bewohnern der westlichen Highlands und der Hebriden offensichtlich seit den Urzeiten, in denen diese Legenden entstanden, bekannt und wurden, wie viele nicht ganz seltene und unverstandene Phänomene des täglichen Lebens – Krankheiten bei Mensch und Vieh – von einem mündlich tradierten und lokal unterschiedlich ausgeschmückten Erklärungsmythos umgeben.
Wenn man nach Crop Ears forscht, dann wird man in der gälischen Folklore reichlich fündig. In der spärlichen Highland-Cattle-Literatur dagegen, auch in frühen Beschreibungen der Rasse vor Gründung des Herdbuchs, finden Crop Ears mit einer Ausnahme meines Wissens keine Erwähnung: 1929 gibt die Highland Cattle Society (HCS) eine kleine Broschüre von J. Cameron heraus, in der „dock ears“ erwähnt werden als ein praktisch bedeutungsloses Merkmal, das seit vielen Generationen bekannt sei und das jetzt durch den Einsatz von „voll-ohrigen“ Bullen herausgezüchtet werde. Die undramatische, lapidare Erwähnung von Crop Ears lässt vermuten, dass hier nichts Unbekanntes angesprochen wird, aber auch nicht etwas, das die damaligen Züchter groß bewegt hätte. Ùna Cochrane, die Autorin des einzigen schönen Buches über Highland Cattle, besitzt eine große Sammlung von alten Photographien und Postkarten von Highland Cattle und auf erstaunlich vielen dieser alten Photos sind Kühe und Kälber mit Crop Ears deutlich zu erkennen. Crop Ears waren aber kein Thema und das blieb so bis in die späten 1980er Jahre. Es mag Reste eines folkloristischen Bewusstseins unter älteren bodenständigeren Züchtern gegeben habe, beachtet, problematisiert, besprochen hat kein Mensch die gespaltenen Ohren. Donald MacDiarmid, der langjährige Herdsman der alten Leys Castle Herde, der sein ganzes Leben mit Highlands verbracht hatte und selber von der Insel Skye stammte, hatte beispielsweise bis zu einem Besuch in Deutschland 1991 nie wissentlich mit Crop Ears zu tun gehabt. Und doch muss der Defekt auch in den renommierten Highland-Herden, die Ende der 1970er Jahre als Erste Tiere nach Deutschland und Dänemark exportierten, eine gewisse Verbreitung gehabt haben. In der Folge wurden Crop Ears in Deutschland, in Dänemark, in Australien und später auch in der Schweiz beobachtet und die schottische Highland Cattle Society hatte erstmals Anlass, sich mit dem Defekt zu befassen: empörte Züchter in Australien hatten sich über teuer importierte „missgebildete“ Tiere beschwert. (Interessanterweise gab es jetzt in der HCS Stimmen, Züchtern von der Insel Skye zugeschrieben, die dafür plädierten, Crop Ears als Rassemerkmal zu bezeichnen, das auf eine besonders ursprüngliche, alte, reine Zucht hinweisen sollte. Eine Rückbesinnung auf fast vergessene gälische Traditionen oder ein schlitzohriger Versuch?)
Die gegenwärtige Beschlusslage der HCS, die für Großbritannien das Highland-Cattle-Herdbuch führt, geht auf das Jahr 1989 zurück und lautet: „Crop Ear ist kein hinreichend schwerwiegender Zustand, um den Ausschluss eines anderweitig zufrieden stellenden Bullen zu rechtfertigen. Die Bekanntgabe von Crop Ear bei Bullen ist obligatorisch. Züchter können entscheiden, ob sie einen Bullen mit Crop Ear einsetzen möchten.“ Diese Beschlusslage wird jedes Jahr im Highland Breeders Journal abgedruckt. Das Merkmal Crop Ear ist bei Bullen Bestandteil der Herdbucheintragung, es wird bei der Geburtsmeldung abgefragt, aber es wird, da es kein Körverfahren gibt, nicht offiziell überprüft.
In Deutschland mit seiner föderale Struktur und den regionale Herdbuchorganisationen ist die Sache unübersichtlicher. Es gibt einen VDHC-Beschluss aus dem Jahr 1991, wonach Bullen mit Crop Ears von der Körung zu Elite-Bullen ausgeschlossen werden sollten und Kühe mit Crop Ears nicht als „Bullenmütter“ eingestuft werden sollten. Beschlüsse des VDHC sind für die Herdbücher aber 1. nicht bindend und 2. hätte eine solche Regelung, um wirksam zu werden, bedeutet, dass nicht nur alle Bullen bei der Körung, sondern auch alle Kühe bei der Einstufung an beiden Ohren hätten angefasst werden müssen (Janz). Jeder, der weiß, wie unterschiedlich Körungen und Einstufungen gehandhabt werden, kann sich vorstellen, wie lückenhaft die Umsetzung dieses VDHC-Beschlusses bestenfalls sein konnte.
Es ist nicht bekannt, wie viele Crop-Ear-Tiere es in Deutschland gibt. Es sind sicher nicht besonders viele und nach meinem persönlichen Eindruck sind es prozentual deutlich weniger, als vor 20-25 Jahren. Umso erstaunlicher ist es, dass der sporadische Ärger, den es immer mal wieder gibt, wenn ein schlitzohriger Züchter einem Neuling ein schlitzohriges Tier verkauft, immer noch und immer wieder so viel Staub aufwirbelt. Und immer wieder gibt es solche, die nach strengerem Regelwerk und amtlichen Eingriffen rufen und andere, die das Bedürfnis haben, sich am Crop Ear züchterisch zu profilieren. Ich finde beides nicht ganz adäquat, denn
Crop Ear ist eigentlich kein großes Problemund ich möchte deshalb mit einem kurzen persönlichen Plädoyer für einen vernünftigen, maßvollen und praktikablen Umgang mit diesem nicht besonders wichtigen Merkmal schließen. Wir sollten festhalten, dass
Literatur
1. Cameron J : Preserving A Noble Old Breed, ed. Highland Cattle Society, 1925, zit. nach Cochrane, S. 254-255
Ich danke Ùna Cochrane für die Überlassung von Bildmaterial aus ihrem Archiv und ich danke Ùna Cochrane, Cord Drögemüller und Matti Mäkelä für wertvolle Anregungen und Korrekturen am Manuskript. ____________________________________________ Erstveröffentlichung: Highland Cattle Journal, 19/2014, S.94 ff
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Download (PDF) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|
||
Weitere Artikel zu diesem Thema: |
||
|
||
|
||
Unsere Themen: |
||
|
||
|
||
Für alle Ihre Fragen stehen wir gern zur Verfügung: Dr. Stephan Janz Billerbeck
Nr. 6
E-Mail: Dr.Stephan.Janz@t-online.de |
||
|
||
Copyright © Dr. Stephan Janz |