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Droving

Dr. Stephan Janz

Der Schottlandreisende, der sich auf der Fahrt gen Norden Zeit lässt und Mittel- und Nordengland und das südschottische Grenzland nicht auf dem schnellsten Weg durcheilt, sondern hier und da abseits der Autobahn in den kleinen Marktflecken pausiert, wird immer wieder auf alte Wirtshäuser stoßen, die "The Black Bull" heißen. Es sind uralte Häuser, am Marktplatz gelegen und meist muss man vom Gehweg zwei Stufen hinuntersteigen und den Kopf etwas einziehen, wenn man die Gaststube betritt. Weiter nördlich, jenseits von Glasgow am Nordende des Loch Lomond wird unser Reisender leicht an einem unscheinbaren alten Gemäuer vorbeifahren, das uns schon im Namen sagt, um was es sich handelt: auch "The Drovers Inn" ist ein altes Gasthaus aus einer Zeit, da große Viehzüge von Schottland nach England zugleich die Hoch-Zeit der "Crodh Dubh", der "Black Cattle", die wir heute als Highland Cattle bezeichnen, markierten.


Schottland - unerschlossenes Hinterland einer Weltmacht

Versetzen wir uns zurück etwa in die Mitte des 18. Jahrhunderts: Europa steht politisch am Vorabend der Französischen Revolution, es ist die Zeit der klassischen Musik, die Zeit der verfeinerten Lebensart des Rokoko, die Zeit der ersten großen wissenschaftlichen Entdeckungen und technischen Entwicklungen und die Zeit der beginnenden industriellen Revolution in England. England ist eine Weltmacht, in wechselnden Koalitionen zu Wasser und zu Land weltweit wirtschaftlich und kriegerisch engagiert, nicht zuletzt auf dem europäischen Festland und dem eigenen "Hinterland", Schottland und Irland.

Und Schottland? Schottland ist ein altes Königreich vor den Toren des modernen Europa, ein wildes, unbekanntes Land. Zu einer Zeit, da Bildungsreisen nach Italien unter der englischen Oberschicht schon in Mode kommen und über die englischen Handelskompanien und Forschungsreisende Berichte über ferne Länder und Kontinente das Publikum zu hause erreichen, ist Schottland immer noch so unbekannt, dass etwa die in London ansässige Royal Society Martin Martin, einem jungen gebildeten Schotten von der Insel Skye, noch 1695 den Auftrag gab, eine Forschungsreise zu den Hebridischen Inseln zu unternehmen und darüber zu berichten. Wohl war Schottland schon seit Jahrhunderten ein vereinigtes Königreich, hatte ein Parlament, hatte das sog. Privy Council, eine Körperschaft mit weitreichenden legislativen, judikativen und exekutiven Befugnissen. Dieses Königreich war aber ein in ständigem Umbruch begriffenes Gebilde, in dem wechselnde Königshäuser, wechselnde Adels- und Clanskoalitionen, Kirchenfürsten der irischen, der römisch-katholischen und später der reformierten Kirche um Macht und Einfluss stritten und in das Normannen, Engländer und Franzosen kriegerisch hineinregierten. Der nominellen Staatsmacht gegenüber stand ein dünn besiedeltes, verkehrstechnisch überhaupt nicht erschlossenes Land und eine Bevölkerung, deren Loyalität beim jeweiligen Clan lag und nicht bei den fernen und ständig wechselnden Königshäusern.

Die englisch-schottische Geschichte war bis 1746 eine Geschichte Jahrhunderte langer blutiger Händel um Thronfolge und Grenzen, um Religion und politische Vormacht. 1707 war die Vereinigung der Königreiche England und Schottland zum "United Kingdom" unter einem gemeinsamen Königshaus und einem gemeinsamen Parlament in London vollzogen worden. Es dauerte aber weitere 40 Jahre, bis die letzten Aufstände schottischer Selbstständigkeit in der Schlacht von Culloden bei Inverness vernichtend geschlagen wurden. Das Clan-System war gebrochen, der kriegerische Hinterhof Englands war befriedet, das Land konnte ökonomisch angeschlossen und infrastrukturell erschlossen werden, England konnte sich ungestört seiner Rolle als Weltmacht zuwenden. Die Hoch-Zeit des "Droving" begann.


Von Rinderraub zum Viehandel

So unübersichtlich und verwirrend die politischen Beziehungen beider Länder in den zurückliegenden Jahrhunderten auch gewesen waren, eine Konstante begann sich schon früh abzuzeichnen: Schottland war ein Weideland, wenn auch ein sehr armseliges und "Rindvieh war die Hauptform transportablen Reichtums", wie ein zeitgenössischen Nationalökonom konstatierte. In England dagegen bestand und entwickelte sich schon früh ein Bedarf an Fleisch, der durch eine wachsende Bevölkerung und ihre zunehmende Konzentration in den städtischen industriellen Zentren entstand sowie sehr wesentlich durch die Notwendigkeit der Versorgung einer Armee und Flotte, die bis zum Ende der napoleonischen Kriege fast ununterbrochen irgendwo auf der Welt Krieg führte. Außer Rindvieh hatte Schottland wenig anzubieten und hierfür bestand schon lange vor der endgültigen Unterwerfung Schottlands 1746 ein zahlungskräftiger Markt in England.

Viehdiebstahl war die Ur-Form der Viehbewegungen, aus denen sich im Laufe von gut drei Jahrhunderten bis zur Mitte des 18.Jahrhunderts langsam ein regulärer Viehhandel mit einem stetigen Zug von Rindern von Schottland nach England herausbilden sollte. Viehdiebstahl im Großen, wie im Kleinen war bis weit ins 16. und 17. Jahrhundert hinein an der Tagesordnung und galt offenbar auch den Lairds und Clansherren als ebenso wenig verächtlich, wie das Morden und Sengen. Zahllose Gesetze und Regelungen des Privy Council, die diesem Treiben Einhalt gebieten sollten waren ebenso wirkungslos, wie die oft in Abwesenheit der Angeklagten ausgesprochenen Richtersprüche und die angedrohten Sanktionen. 

Möglichst schnell mit Hilfe von Hunden eine fremde Herde zusammenzutreiben, dabei vielleicht ein paar örtlich ansässige Kleinbauern zu erschlagen und dann mit dem Vieh im Schutz der Nacht zu verschwinden, das war das Geschäft dieser frühen Drover. Erst in dem Maße aber, wie das gestohlene Vieh direkt oder über Mittelsmänner in England gewinnbringend abgesetzt wurde, entwickelte sich aus diesen Raubzügen so etwas wie ein Viehhandel. Auch wenn zunehmend nicht mehr der Diebstahl den Anfang eines Viehtriebs markierte, so blieb doch das Droving bis zum Beginn einigermaßen geregelter politischer Verhältnisse nach 1707 ein außerordentlich abenteuerliches Geschäft, bei dem von den Treibern weiterhin alle die Fähigkeiten ihrer räuberischen Vorfahren gefordert waren.

Ob gekauft oder gestohlen, die Herde musste durchgebracht werden, musste wochenlang und hunderte von Meilen weit durch ein mitunter feindliches Land getrieben werden, in dem es galt, dem örtlichen Clan, der Schutz- und Wegezoll forderte, auszuweichen, zu zahlen oder sich durchzuschlagen. Das erforderte abgesehen von den entsprechenden kriegerischen Qualifikationen genaueste Kenntnisse der jeweils aktuellen lokalen Macht- und Bündnisverhältnisse bis hinunter ins schottisch-englische Grenzgebiet, wo der Grenzverkehr mal erlaubt, mal verboten war, so dass der Grenzübertritt mitunter nur gelang, wenn die Herde an Zollstationen und Grenztruppen vorbei geschmuggelt wurde.

Schottland war nicht nur politisch ein wildes Land, es war ein weitestgehend unerschlossenes und unwegsames Land. Ein bergiges Land mit einer zerklüfteten Küste, ein Land ohne Brücken und Strassen, abgesehen von kleinen Pfaden, die Ansiedlungen und Ortschaften verbanden und oft genug mussten diese ja gerade gemieden werden. Die Drover mussten eine exzellente detaillierte Kenntnis ihres langen Weges habe, des direkten Weges ebenso, wie der kurzfristig erforderlichen Ausweich- und Schleichwege. Wer einmal in Schottland, wo es kein ausgebautes Netz von Wanderwegen gibt, gewandert ist, der weiß, wie leicht man, wenn man seine Route nach Karte ( die die Drover nicht hatten) und Sicht querfeldein gewählt hat, plötzlich vor einem reißenden Flüsschen steht, das hier und jetzt nicht zu überqueren ist, wie leicht man unvermutet vor einer großen Moorfläche steht, die einen langen Umweg erzwingt und wie leicht ein bereits bekannter Weg nach einer längeren Regenperiode unpassierbar geworden ist. Ein Drover musste wissen, welche See-Lochs, die weit in das Land hineinreichenden Fjorde, bei Ebbe an einer seichten Stelle durchwatet werden konnten, welche an einer schmalen Stelle mit den Tieren durchschwommen werden mussten und welche man nur weiträumig umgehen konnte. Er musste wissen, wo am Wege ausreichend Futter für die mitunter großen Herden zu finden war, wo es geeignete Rastplätze gab und wo man gelegentlich eigene Vorräte auffrischen konnte.


Wegelagerer und Strauchdiebe

Allen politischen und infrastrukturellen Schwierigkeiten zum Trotz hatte sich bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts das Droving bereits zu einem der wenigen relevanten Wirtschaftszweige Schottlands entwickelt. Jetzt aber und bis in die Mitte des nächsten Jahrhunderts nahm dieser Handel einen enormen Aufschwung. Erste Militärstrassen wurden zwischen 1720 und 1740 in Angriff genommen, eine wirklich nennenswerte Erschließung des Landes mit Strassen und Brücken und der Möglichkeit von Kutsch- und Wagenverkehr ließ jedoch weitere 70 Jahre auf sich warten. Noch immer zogen die Herden, allerdings in jährlich wachsendem Umfang, auf den nun schon lange etablierten Pfaden über das freie Land zu den größeren Markt- und Umschlagplätzen, den sogenannten Trysts. Weiterhin gab es Wegelagerer und Strauchdiebe - Rob Roy war einer von ihnen - , aber mittlerweile gab es einigermaßen stabile politische Rahmenverhältnisse und die großen Viehzüge standen unter dem Schutz der Obrigkeit: schon 1716 und erneut nach der Niederschlagung der letzten schottischen Erhebung durch die Engländer 1746 waren Gesetze erlassen worden, die das Tragen von Waffen streng verboten. Von diesem Verbot waren Drover ausgenommen, die somit zu den ganz Wenigen gehörten, die weiterhin die traditionellen Waffen des schottischen Kriegers - das Messer, das kurze, breite Schwert, eine Pistole und ggf. ein Gewehr - tragen und zum Schutz ihrer Herde benutzen durften. 

Der Viehhandel, der sich im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend etabliert hatte, spielte sich etwa folgendermaßen ab: Von Mitte April an erschienen landauf/landab die Händler in den kleinen Gemeinden in den Highlands, an den Küsten und auf den Inseln und gaben bekannt - meist in der Kirche - zu welchen Terminen und an welchen Sammelstellen sie im Laufe der nächsten Monate wiederkommen würden um Tiere zu kaufen und abzutreiben. Diese Termine hatten sich danach zu richten, ab wann die vom Winter geschwächten Tiere soweit bei Kräften sein würden, um den langen Marsch nach Süden zu überstehen. Günstigenfalls war das Ende Mai. Im rauen Klima der Äußeren Hebriden dagegen, wo die Vegetationsperiode spät beginnt und kurz ist, war der Abtrieb dementsprechend erst im Juli bis September.

Die Rinder, die dort aufgetrieben wurden, wurden als "Kyloes" bezeichnet, wobei die Herkunft und genaue Bedeutung dieser frühen gälischen Bezeichnung für Highland Cattle unklar ist ( möglicherweise bedeutet es "Rinder, die durch die kyles schwimmen müssen". Kyles sind die schmale Meeresarme, die an der Westküste überall tief in das Land einschneiden.). Diese ursprünglich überwiegend schwarzen Tiere (daher auch die Bezeichnung "Codh Dubh" oder "Black Cattle", die sich in den oben erwähnten alten Gasthäusern wiederfindet) waren ganz unterschiedlichen Alters: alte trockenstehende Kühe und Ochsen, die ein Arbeitsleben hinter sich hatten sowie "junge" drei- vierjährige Ochsen. Sie waren ausgesprochen klein und mager und dürften im Rahmen kaum wesentlich über die Größe eines heutigen Jährlings hinausgekommen sein. Zeitgenössische Quellen geben als Durchschnittsgewichte für Highland Cattle im 18. Jahrhundert 130 kg - 200 kg an und ein englischer Reisender, der die Tiere um 1720 nach Süden ziehen sah beschrieb sie als in der "Größe von Lincolnshire-Kälbern". ( Nach einer ausgiebigen Mast auf satten englischen Weiden nach Abschluss des Viehtriebs wogen die Tiere vor dem Schlachten zwischen 250 kg und 400 kg.)

Von den kleinen Sammelstellen wurden die Tiere zu größeren Sammelplätzen getrieben. Auf den Inseln waren dies meist die Anlegestellen für die abenteuerliche Verladung auf offene Boote. Die Herden wuchsen so je nach Angebot und Finanzkraft des Drovers auf eine Größe von mehreren Hundert bis über 1000 Tiere an, die sich dann langsam auf die großen Marktflecken, die sogenannten "Trysts" in Crieff und Falkirk zu bewegten. Auf je 50 Tiere kam ein Treiber und mehrere Hunde und die großen Trecks wurden oft von ihrem Eigentümer oder seinem Agenten zu Pferd begleitet. Je nach Weg und Wetter wurden Tagesmärsche von 15 bis 17 km zurückgelegt. Mittags wurde eine Rast zum Weiden und Ruhen der Tiere eingelegt und für die Nacht musste ein geeigneter Platz mit Wasser und Weidemöglichkeit gefunden werden. Die größeren Züge hatten wohl ein paar Lastpferde - Highland Ponies - dabei, die das "Reisegepäck" beförderten: eine Decke für jeden, etwas Hafermehl, eine handvoll Zwiebeln, etwas Whiskey. Die spärlichen Malzeiten für Menschen und Hunde(!) bestanden aus diesen kümmerlichen Zutaten für Porridge. Bisweilen wurden Tiere geblutet und das Rinderblut mit Hafermehl und Zwiebeln zum "black pudding" verrührt. Die Männer - oft genug waren halbwüchsige Jungen dabei, die ihre erste oder zweite Reise mitmachten und so das Geschäft erlernten - wickelten sich dann in ihre Decke und legten sich zum Schlafen bis sie mit der Nachtwache an der Reihe waren. Schutz vor Wind, Nässe und Kälte gab es nur soweit das Gelände ihn eben bot, ein Strauch vielleicht, eine Mulde, ein Baum, ein überhängender Fels. Die Nachtwache war eine selbstverständliche Notwendigkeit, allein schon, um zu Beginn des Trecks die Tiere daran zu hindern, sich nachts auf den Heimweg zu begeben. Von Viehdieben war bereits die Rede.

Die Übersetzung des Wortes "Drover", Viehtreiber, wird den Qualitäten dieser Männer nicht annähernd gerecht: ein Drover war ein gewiefter Viehändler, der bei der Auswahl und beim Ankauf der Tiere neben ihrem Marktwert auch beurteilen musste, ob die Tiere fit für den Marsch waren und Potential für die Endmast hatten. Ein Drover war ein erfahrener cattle-man, der mit einigermaßen wilden Tieren umgehen können musste beim Sammeln, beim Verladen auf offene Boote, beim Treiben durch reißendes Wasser und über schmale klapperige Brücken. Ein Drover musste Tiere verarzten und mitunter beschlagen können und musste die Verluste auf dem langen strapaziösen Marsch so gering wie möglich halten. Ein Drover musste die gesamte Logistik eines solchen Viehtriebs inklusive der pünktlichen Ankunft zu den bekannten festgelegten Marktterminen an den Trysts beherrschen. Ein Drover musste von einer unglaublichen körperlichen Robustheit sein und ein waffenerprobter unerschrockener Kämpfer obendrein. Und ein Drover musste endlich in der Lage sein, im Feilschen und Handeln mit den englischen Aufkäufern den Wert seiner Herde zu realisieren.

Die Drover waren, das bezeugen zeitgenössische Quellen immer wieder, bei all ihrer Rohheit, Ungehobeltheit und Schlitzohrigkeit von einer legendären unbedingten Ehrlichkeit und Loyalität ihrem Auftraggeber gegenüber - das waren unter Umständen die vielen kleinen Bauern, deren Tiere sie auf den hebridischen Inseln mit einem Zahlungsversprechen gekauft oder in Kommission genommen hatten. Diese altmodischen Clan-Tugenden der absoluten Verlässlichkeit und Gefolgschaftstreue dem Laird und den Mitgliedern des eigenen Clans gegenüber haben sich offensichtlich zu einer spezifischen Berufsehre umgewandelt, die das faktische Ende des Clan-Systems lange überdauerte. In einer Zeit, da das Bank- und Kreditwesen in Schottland noch ganz unentwickelt war, war das Droving ein Geschäft, das mit Treu und Glauben der Züchter in der Highlands vorfinanziert wurde und bei dem der Handschlag des Drovers die einzige Sicherheit für die abschließende Zahlung war.


Die Trysts

Die größten Sammel- und Marktplätze, auf denen die Tiere zusammengetrieben und an englische Händler verkauft wurden waren Crieff und Falkirk am Südrand der Highlands. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wird für Crieff ein Umschlag von 30 000 Tieren pro Jahr (1723) überliefert, in Falkirk waren es 1772 24 000 Tiere. 1812 wurden in Falkirk bereits 50 000 bis 60 000 Tiere umgesetzt und bis zur Mitte des Jahrhunderts war diese Zahl auf 150 000 Tiere pro Jahr angewachsen. Dieser gewaltige Viehmarkt konzentrierte sich auf wenige Termine im September und Oktober, zu denen die Drover mit ihren Herden pünktlich eingetroffen sein mussten, wollten sie nicht weitere lange Märsche Richtung Süden, den Händlern hinterher, in Kauf nehmen.

Wenn man berücksichtigt, dass in den letzten Jahrzehnten des Highland Droving zusätzlich in rasch wachsenden Umfang ähnliche und zuletzt größere Zahlen an Schafen aufgetrieben wurden, dann kann man ermessen, welche ungeheuren Ströme an Vieh in dieser Zeit Schottland durchwandert haben und was für ein unbeschreibliches Treiben in diesen kleinen Marktstädten in September und Oktober geherrscht haben muss.

Mit dem Verkauf an die englischen Händler war für die Drover ein ökonomischer Endpunkt erreicht. Für die Tiere war die Reise hier natürlich nicht beendet und häufig haben auch die Drover ihre Tiere nach dem Verkauf noch weiter durch Südschottland, über die Grenze und nach England getrieben. Fette Weiden, milderes Klima und vergleichsweise fortschrittliche Methoden der Winterfütterung erlaubten hier in relativer Nähe zu den wachsenden städtischen industriellen Zentren und den an den Küsten gelegenen Versorgungsdepots der Admiralität eine rasche Endmast der Tiere. Der größte Teil der Tiere aus dem schottischen Hochland gelangte auf diese Weise schließlich bis nach Südengland und London.


Das Ende der großen Viehzüge

Das Droving, als der die Ökonomie Schottlands wesentlich bestimmende Wirtschaftszweig hatte um 1850 seinen Gipfel überschritten. Der Niedergang setzte abrupt ein und er war schnell und vollständig. Die Gründe hierfür sind vielfältig und hängen auf verschiedene Weise mit den agroindustriellen Veränderungen des aufstrebenden Kapitalismus zusammen, die Schottland mit einiger Verzögerung ab Ende des 18. Jahrhunderts auch ergriffen.

Unabdingbare Voraussetzung für die großen Viehtriebe war der freie Zug über das Land, das Weiderecht am Wegesrand und freier Zugang zu Wasser und Rastplätzen. Drainage und technische Fortschritte in der landwirtschaftlichen Bodenbearbeitung brachten zunehmend geeignete Flächen unter den Pflug und Weideland unter systematische Bewirtschaftung und permanente Einzäunung (Steinwälle). Landbesitz wurde zunehmend von einer Formalität zu einer faktisch beanspruchten und eingeklagten Realität. Großgrundbesitzer entdeckten Schafhaltung und Jagdverpachtung als lukrative Einkommensquellen und alle diesen neuen umfangreicheren und intensiveren Landnutzungen waren in zunehmendem Maße hinderlich für die Viehtriebe. Die neu angelegten Strassen beanspruchten vielfach die alten Routen, aber die Schotterstrassen (und Brücken) kosteten Benutzungsgebühren und machten jetzt oft das Beschlagen der Tiere erforderlich. Übernachtungsplätze auf eingezäunten Weiden mussten bezahlt werden. All das machte das Droving schwierig und kostspielig.

Verbesserte Weidebedingungen in weiten Teilen des Landes, die Einführung der Futterrübe und regelmäßige Winterfutterbergung sowie der Einzug züchterischer Gesichtspunkte in die Tierhaltung führten dazu, dass größere und schwerere Tiere erzeugt wurden. Diese Tiere waren zwar einerseits weniger fit für die langen Märsche, andererseits konnten sie jetzt aber zunehmend auch in Schottland selbst ausgemästet werden und neue Transportmittel erlaubten bereits ausgemästetes Schlachtvieh ohne Zeit- und Konditionsverlust nach Süden zu transportieren (regelmäßiger Dampfschiffverkehr an beiden Küsten ab etwa 1835; Eisenbahnanschluss von Perth, Inverness und Dalmally zwischen 1848 und 1870).

Mit dem Ende der napoleonischen Kriege schließlich sank der Bedarf an Rindfleisch seitens der englischen Armee und der Flotte drastisch. Andererseits entstand nicht zuletzt durch die aufstrebende industrialisierte Großstadt Glasgow und andere kleinere Zentren auch in Schottland selbst ein wachsender Bedarf für Rindfleisch.

Ab der Mitte des Jahrhunderts führten diese Veränderungen rasch zum vollständigen Erliegen der großen Viehzüge Richtung Süden, Crieff und Falkirk verloren ihre Bedeutung und auch die Rasse Highland erlitt einen solchen Einbruch, dass man sich in den 80er Jahren zum Erhalt der Rasse zur Gründung des Herdbuchs veranlasst sah. Das Droving war eine etwa zweihundert Jahre andauernde Episode in der schottischen Geschichte und Wirtschaftsgeschichte, in der Highland Cattle eine Hauptrolle spielten. Wenngleich die letzten großen Viehzüge vor nunmehr 150 Jahren Schottland durchquerten - die Erinnerung an diese Zeit ist in Schottland wach geblieben. Die jungen Burschen, die einem heute im Drovers Inn zu den Klängen von Pink Floyd den Tee servieren wissen ganz gut, was Droving war und kein Kind in Schottland käme auf die Idee, dass Kühe lila sind.

Erstveröffentlichung: Highland Cattle Journal 11/2006, S.114

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